Kolumne Thomas Bublitz

U x V x E > W

Gibt es eine Erfolgsformel für das extrem anspruchsvolle Reformvorhaben, dessen Eckpunkte der Bundesgesundheitsminister in wenigen Tagen vorstellen will? Prof. Dr. Stefan Scholtes von der University Cambridge und Mitglied des Aufsichtsrates der Cambridge University Hospitals, machte dazu auf dem BDPK-Bundeskongress einen Vorschlag: U x V x E > W. Das ist die Formel für erfolgreiches Changemanagement. U steht für die Unzufriedenheit, die alle Beteiligten gleichermaßen haben. V steht für die Vision, also die Lösung der bestehenden Probleme. E sind die ersten Schritte zur Umsetzung und W die Widerstände, die aus der Veränderung resultieren. Gute Reformchancen bestehen, wenn das Produkt von U x V x E größer ist als die Summe der Widerstände.

Bei der Frage, welches Erfolgspotenzial die Reform nach dieser Formel hat, ist die Vision der entscheidende Faktor, also welche konkreten Lösungen die bisher bekannten Reformvorschläge beinhalten. Fangen wir beim Fachkräftemangel an: Den bekämpft die Reform überhaupt nicht. Es werden nicht mehr Mediziner oder Pflegekräfte ausgebildet und es wird nichts dafür getan, dass Fachkräfte, die dem Krankenhaus den Rücken gekehrt haben, dorthin zurückkehren. Fehlanzeige auch bei Bürokratieabbau, Digitalisierung, verlässlichen Arbeitszeiten oder anderen Anreizen. Darauf zu hoffen, dass die Fachkräfte an die verbleibenden Krankenhäuser wechseln werden, könnte ein Trugschluss sein. Vielleicht sind sie gar nicht so mobil, dass sie in den Ballungszentren, in denen dann die Level-2- und 3-Kliniken wären, wohnen und arbeiten können und wollen. Ähnliches gilt übrigens auch für Mobilität der Patient:innen.

Zudem fehlen Lösungen zur Verbesserung der Durchgängigkeit zwischen ambulanter und stationärer Versorgung. Auch bei der Verbesserung der Versorgungsqualität bietet die Reform keine brauchbaren Instrumente, sondern setzt in antiquierter Art und Weise lediglich auf die Strukturqualität. Dahinter steht offenbar der Glaube, dass derzeit jeder aufgrund des ökonomischen Drucks alles macht.

Zu viele Krankenhäuser: Hier wird es eine Wirkung geben. Die Kombination aus Leveln und Leistungsgruppen würde viele Krankenhäuser in ländlichen Regionen von der Versorgung ausschließen. Als Level-1i-Haus weiterzumachen, dürfte wenig Erfolg versprechend sein, denn von dem, was diese Einrichtungen zukünftig tun sollen, werden sie wirtschaftlich nicht überleben können.

Hinzu kommt noch die desolate wirtschaftliche Lage der Kliniken in der Inflation. Auch hier wird nichts getan. Man hofft wohl, dass die wirtschaftlichen Probleme sich dadurch lösen, dass Kliniken schließen. In der Summe ist das aus meiner Sicht zu wenig Substanz für eine Vision, die die Widerstände der für die Krankenhausplanung zuständigen Bundesländer überlagern kann.