Die DRV Bund hat den gesetzlichen Auftrag, bis zum 30. Juni 2023 „Verbindliche Entscheidungen“ festzulegen, mit denen die Zulassungsanforderungen für medizinische Rehabilitationseinrichtungen, das Vergütungs- und Belegungssystem sowie die Veröffentlichung von Qualitätsdaten grundlegend und einheitlich definiert werden. Zu den Vorgaben für die Umsetzung dieses Auftrags gehört auch die Beteiligung der Leistungserbringer- und Betroffenenverbände an der Entwicklung dieser „konsensualen Regelungen“. Nach mehrfachen gemeinsamen Beratungen hatte die DRV einen Entwurf vorgelegt, der aus Sicht der Leistungserbringer- und Betroffenenverbände in einigen Punkten grundlegend nachgebessert werden muss (s. hier). Aus Sicht der DRV Bund sei es trotz der dissenten Punkte nun eigene Aufgabe die Verbindlichen Entscheidungen zu beschließen. Weitere Gespräche zur Konsensfindung lehnt sie ab. Zur rechtlichen Bewertung hat deshalb der BDPK gemeinsam mit mehreren Rehabilitationseinrichtungen ein Gutachten bei Frau Prof. Brosius-Gersdorf (Universität Potsdam) in Auftrag gegeben.
Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass § 15 SGB VI und die darauf fußenden Entscheidungen (Verbindliche Entscheidungen, Zulassung, Belegungsvertrag, Belegungsentscheidungen und Vergütungsvertrag) wegen Verstoßes gegen das allgemeine Wettbewerbsrecht der Europäischen Union unwirksam und damit unanwendbar sind (s. hier).
Das Gutachten führt dazu aus, dass die DRV nicht nur hoheitliche Funktionen gegenüber ihren Versicherten wahrnimmt, sondern zugleich unternehmerisch mit ihren eigenen Reha-Kliniken auf dem Reha-Leistungsmarkt tätig ist. Das EU-Recht, das deutsche Kartellrecht und das Verfassungsrecht fordern jedoch eine generelle Trennung von hoheitlichen Befugnissen und unternehmerischen Funktionen, da anderenfalls die gebotene Gleichbehandlung (Nichtdiskriminierung) – in diesem Fall der Rehabilitationseinrichtungen anderer Träger mit den Rehabilitationseinrichtungen der Rentenversicherungsträger – nicht gewährleistet ist. Da gegen dieses Trennungsgebot verstoßen wird, sind die Gesetzesgrundlage und die hierauf gestützten Einzelentscheidungen unwirksam und unanwendbar. Weil eine strikte organisatorische Trennung von hoheitlichen und unternehmerischen Funktionen der Rentenversicherungsträger aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht möglich ist, muss die Gleichbehandlung aller Rehabilitationseinrichtungen durch eine gleichberechtigte Beteiligung der Vertragseinrichtungen an den hoheitlichen Entscheidungen sichergestellt werden. Nach diesem Konsensgebot müssten die hoheitlichen Entscheidungen einvernehmlich von den Rentenversicherungsträgern (DRV Bund und Regionalträger) und den Vertragseinrichtungen getroffen werden. Dies ist jedoch nicht der Fall, da die Positionen der beteiligten Verbände den DRV-Regelungen in relevanten Teilen widersprechen.
Der BDPK hat die DRVen und das Bundesarbeitsministerium über das Rechtsgutachten und die strittigen Regelungen informiert und setzt sich für eine sinnvolle, rechtskonforme Umsetzung ein.