Privatkliniken nach § 30 der Gewerbeordnung erbringen die gleichen medizinisch notwendigen Leistungen wie öffentlich-rechtliche und zugelassene Krankenhäuser. Sie besitzen aber keine Anerkennung oder Zulassung durch Sozialversicherungsträger und sind nicht in den Krankenhausplan eines Bundeslandes aufgenommen. Die Kliniken behandeln überwiegend Beihilfe- und Privatpatienten (v. a. Berufsgruppen wie Feuerwehr-, Polizei-, Justizbeamte, Lehrer), Selbstzahler, aber auch gesetzlich versicherte Patienten im Wege der Kostenerstattung (§ 13 Absatz 2 SGB V).
Die Leistungen von Privatkliniken nach § 30 GewO sind nach geltendem Recht nur eingeschränkt von der Umsatzsteuer befreit: Nach § 4 Nr. 14 Buchst. b Doppelbuchst. aa Umsatzsteuergesetz (UStG) sind alle Leistungen von öffentlich-rechtlichen Krankenhäusern ohne weitere Voraussetzung sowie alle Leistungen von privatrechtlichen Krankenhäusern, die über eine Zulassung nach § 108 SGB V verfügen (Plankrankenhäuser), steuerbefreit. Privatklinken nach § 30 GewO dagegen, welche entsprechende medizinische Leistungen erbringen, sind nur dann von der Umsatzsteuer befreit, wenn im vorangegangenen Kalenderjahr mindestens 40 Prozent ihrer Leistungen von öffentlichen Sozialträgern finanziert wurden oder sie für mindestens 40 Prozent ihrer Leistungen kein höheres Entgelt als öffentliche oder zugelassene Krankenhäuser berechnet haben.
Damit steht das deutsche Umsatzsteuerrecht im Widerspruch zur Europäischen Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL), widerspricht dem Grundsatz der Gleichbehandlung und führt zu einer Wettbewerbsverzerrung, da verschiedene Krankenhäuser für gleiche Leistungen unterschiedlich besteuert werden. Dies bestätigt auch ein aktuelles Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH-Urteil vom 07.04.2022, C-228/20): Die Steuerbefreiung für nach § 108 SGB V zugelassene private Krankenhäuser führt dazu, dass vergleichbare private Krankenhäuser, die gleichartige Leistungen unter vergleichbaren Bedingungen erbringen, unterschiedlich behandelt werden. Der EuGH hat damit die Unionsrechtswidrigkeit der deutschen Rechtslage bis 2019 bestätigt. Da die seit 2020 geltende Fassung von § 4 Nr. 14 UStG wortgleich auf § 108 SGB V Bezug nimmt, verstößt auch die gegenwärtige deutsche Rechtslage gegen die Vorgaben des Unionsrechts. (Ein vom BDPK beauftragtes Gutachten analysiert das EuGH-Urteil im Verhältnis zur geltenden Rechtslage und bewertet diese als unionsrechtswidrig).
In der Praxis führt die bestehende Rechtslage zu folgenden Schwierigkeiten:
- Widerspruch zum Europarecht: Die Steuerbefreiung für nach § 108 SGB V zugelassene Krankenhäuser ist unionsrechtswidrig (vgl. EuGH-Urteil vom 07.04.2022, C-228/20). Zudem hatte der Gesetzgeber eine frühere Variante der 40-Prozent-Regelung bereits im Jahressteuergesetz 2009 abgeschafft, um Bürokratie abzubauen und um den gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der steuerlichen Neutralität der MwStSystRL in deutsches Recht umzusetzen.
- Wettbewerbsnachteile: Wettbewerbswidrig ist, dass Plankrankenhäuser nicht nur mit ihren Krankenhausheilbehandlungen steuerfrei sind, die sie gegenüber gesetzlich versicherten Patienten erbringen, sondern auch mit den medizinischen Leistungen, die sie für Selbstzahler, Privat- und Beihilfepatienten erbringen. Damit treten sie in unmittelbaren Wettbewerb zum Patientenkreis der Privatkliniken nach § 30 GewO.
- Nachteilig für freie Berufe: Viele der betroffenen Kliniken werden von Ärzt:innen betrieben. Die Belastung mit der Umsatzsteuer erschwert deren Berufsausübung.
- Bürokratischer Mehraufwand: Die gesetzliche Reglung kann zu einer jährlich wechselnden Steuerpflicht führen. Dadurch entsteht Kliniken und Finanzämtern erheblicher bürokratischer Mehraufwand. Teilweise warten Kliniken jahrelang auf ihre Steuerbescheide.
- Unsicherheit für Patient:innen: Eine jährlich wechselnde Steuerpflicht hat zur Folge, dass den Patient:innen gegenüber keine verbindliche Auskunft zum Kostenumfang möglich ist und diese aufgrund dessen von einer Behandlung in der Klink absehen.
- Unterschiedliche Handhabung: Die Steuerpflicht wird von den jeweiligen Finanzämtern unterschiedlich gehandhabt. Insbesondere Beihilfepatienten werden in einigen Bundesländern nicht angerechnet, d. h. sie werden mit ihren Belegungs- oder Berechnungstagen als „schädlich“ für die 40-Prozent-Grenze beurteilt.
- Schwierigkeiten bei der Erstattung ambulant erbrachter Leistungen: Von Ärtz:innen ambulant erbrachte Leistungen sind von der Umsatzsteuer befreit. Werden diese von einer Privatklinik mit Umsatzsteuerpflicht erbracht, ist dies für die Kostenträger oftmals nicht nachvollziehbar und die Umsatzsteuer wird u. U. nicht erstattet.
- Unsachgerechte Betrachtung: Aufgrund der unterschiedlichen Finanzierung von Privatkliniken nach § 30 GewO und Krankenhäusern nach § 108 SGB V ist der Bezug auf Belegungstage, für die kein höheres Entgelt als für allgemeine Krankenhausleistungen nach dem Krankenhausentgeltgesetz oder der Bundespflegesatzverordnung berechnet wird, nicht sachgerecht. Privatkliniken nach § 30 GewO erhalten keine Investitionsfinanzierung und sind gezwungen, ihre Investitionen aus den Pflegesätzen zu finanzieren.
- Spezieller Teil
Um Klarheit bei der Frage der Umsatzsteuerpflicht zu erreichen, schlagen wir eine Änderung von § 4 Nr. 14 b) Umsatzsteuergesetz vor. Eine richtlinienkonforme und sachgerechte Bestimmung der Umsatzsteuerpflicht sollte vom Charakter der erbrachten Leistung abhängig sein. Dazu empfiehlt sich eine Orientierung an dem Begriff der Krankenbehandlung in § 27 SGB V. Eine Krankenbehandlung liegt danach dann vor, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Rein kosmetische medizinische Behandlungen werden davon nicht erfasst. Zudem sollte ein Verweis auf § 107 SGB V erfolgen, um deutlich zu machen, dass Privatkliniken nach § 30 GewO die darin genannten Krankenhauskriterien in gleicher Weise wie öffentliche und zugelassene Krankenhäuser erfüllen: sie sind Einrichtungen, welche der Krankenhausbehandlung dienen und welche fachlich-medizinisch unter ständiger ärztlicher Leitung stehen.
Im Ergebnis darf das deutsche Umsatzsteuerrecht nicht danach differenzieren, ob die Behandlung von einem Plankrankenhaus oder einer Privatklinik nach § 30 GewO erbracht wird. Wenn eine Privatklinik nach § 30 GewO gleiche Leistungen (Krankenbehandlung nach § 27 SGB V) in vergleichbarer Situation wie ein nach § 108 SGB V zugelassenes Krankenhaus erbringt, müssen diese medizinischen Leistungen auch von der Umsatzsteuer befreit sein.
Den vollständigen Wortlaut der BDPK-Stellungnahme mit den eingebrachten Änderungsvorschlägen lesen Sie in der PDF als Download.