Reha der DRV: Verbindliche Entscheidungen

Die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV Bund) hatte den gesetzlichen Auftrag, bis zum 30. Juni 2023 „Verbindliche Entscheidungen“ (VE) festzulegen, mit denen die Zulassungsanforderungen für medizinische Rehabilitationseinrichtungen, das Vergütungs- und Belegungssystem sowie die Veröffentlichung von Qualitätsdaten einheitlich, transparent, nachvollziehbar und diskriminierungsfrei definiert werden.

Trotz massiver Kritik der Leistungserbringerverbände an den Entwürfen der von der DRV Bund vorgelegten VE hat der Bundesvorstand der DRV am 25. Mai 2023 die endgültigen Versionen der Verbindlichen Entscheidungen beschlossen. Seit dem 1. Juli 2023 sind sie in Kraft.

Zur rechtlichen Bewertung hat der BDPK gemeinsam mit mehreren Rehabilitationseinrichtungen ein Gutachten bei Prof. Frauke Brosius-Gersdorf (Universität Potsdam) in Auftrag gegeben. Das Rechtsgutachten kommt zu dem Ergebnis, dass die derzeitige Ausgestaltung der Verbindlichen Entscheidungen europarechtswidrig und verfassungsrechtswidrig ist. Eine europa- und verfassungsrechtskonforme Umsetzung erfordere ein echtes Mitentscheidungsrecht der Leistungserbringerverbände.

EU-Beschwerde

Das vom BDPK beauftragte Rechtsgutachten kommt zu dem Ergebnis, dass die Verbindlichen Entscheidungen (§ 15 SGB VI) gegen EU-Recht verstoßen. Ein Verstoß liegt vor, weil die Rentenversicherungsträger hoheitliche Funktionen wahrnehmen und zugleich auf dem Markt der Leistungserbringung tätig werden. Dadurch besteht eine latente Diskriminierungsgefahr für die Vertragseinrichtungen. Trotz dieses festgestellten Verstoßes reagiert der Gesetzgeber nicht und auch die DRV Bund unternimmt keine Anstrengungen, um sich unionsrechtskonform zu verhalten.

Der BDPK und zahlreiche Reha-Kliniken haben deshalb Beschwerde gegen § 15 SGB VI bei der Europäischen Kommission eingereicht. Die Unionsrechtskonformität wird derzeit durch die EU-Kommission überprüft.

Der BDPK und viele Reha-Kliniken richten sich mit ihrer EU-Beschwerde gegen die Ausgestaltung der Verbindlichen Entscheidungen. In ihnen sollte die Rentenversicherung, so lautete der gesetzliche Auftrag, die Beschaffung von medizinischen Reha-Leistungen transparenter als bisher regeln. Das Vergütungskonzept sollte nachvollziehbarer und die selektive Einrichtungsauswahl durch die Rentenversicherung objektiver werden. Bei der Umsetzung dieses Auftrags sollte die DRV die Leistungserbringerverbände beteiligen, was jedoch nur unzureichend erfolgt ist. Denn die Einwände der Verbände blieben in relevanten Punkten unberücksichtigt. Eine Abschaffung der trägereigenen Einrichtungen der DRV und Ausschreibungen sind mit der EU-Beschwerde nicht beabsichtigt. Ebenso ist keine Verhinderung des Gesetzes in Gänze gewollt.  Gefordert wird lediglich die Diskriminierungsfreiheit. Dafür ist es notwendig, die Leistungserbringer bei der Ausgestaltung der Verbindlichen Entscheidungen gleichberechtigt einzubeziehen.

Hauptkritikpunkte an den Inhalten der Verbindlichen Entscheidungen

  • Belegungsvertrag

Die Rehabilitationseinrichtungen wurden von der DRV aufgefordert, eine Zulassungserklärung abzugeben und einen neuen, nicht verhandelbaren Belegungsvertrag zu unterzeichnen, um ab dem 01.07.23 von der DRV belegt zu werden. Dazu sollten sie ein Vergütungssystem vertraglich anerkennen, das erst ab 2026 gelten wird und dessen Auswirkungen für die Vergütung der Reha-Leistungen bis heute weitgehend unbekannt sind. Der Belegungsvertrag beinhaltet einige kritische Inhalte. Dazu zählen: die Offenlegung der Vergütungssätze, der Belegung und des vorgehaltenen Personals anderer Reha-Träger sowie die vorherige Zustimmungspflicht bei der Stellenbesetzung der Chefärzte und des Ärztlichen Direktors; ein jederzeitiges und uneingeschränktes Inspektions- und Begehungsrecht und den Ausschluss der Erbringung zusätzlicher Leistungen.

  • VE Vergütung

Das geplante Vergütungssystem, das am 01.01.2026 zum Einsatz kommen soll, setzt sich zusammen aus einer einrichtungsübergreifenden und einer einrichtungsindividuellen Vergütungskomponente. Kernstück der einrichtungsübergreifenden Vergütungskomponente ist der sog. indikationsübergreifende Basissatz und dessen Bewertungsrelationen.

Der indikationsübergreifende Basissatz soll der Vergütung für eine Rehabilitationsleistung ohne einrichtungsspezifische und konzeptionelle Besonderheiten entsprechen. Den indikationsübergreifenden Basissatz und die Bewertungsrelationen will die DRV Bund auf Grundlage der Vergütungsdaten aus dem Jahr 2024 festlegen. Die Vergütungsdaten der Vertragseinrichtungen stellen aber keine geeignete Grundlage für die Reha-Leistung dar, denn die Reha-Träger haben eine marktbeherrschende Stellung gegenüber den Leistungserbringern, da sie über die Belegung der Reha-Einrichtung entscheiden. Die aktuell geltenden Preise entsprechen somit nicht den Preisen, die sich bei einem freien Wettbewerb gebildet hätten. In der Verbindlichen Entscheidung zum Vergütungssystem fehlt überdies eine Regelung zu den Investitionskosten.

  • VE Belegung

Sofern Versicherte keinen Gebrauch von ihrem Wunsch- und Wahlrecht machen, soll ein IT-gestütztes System den Versicherten Rehabilitationseinrichtungen mit der nachweislich besten Qualität vorschlagen werden. Entgegen dieser Vorgabe werden den Versicherten zwei Rehabilitationseinrichtungen der DRV und zwei Vertragseinrichtungen (jeweils qualitätsorientiert) vorgeschlagen – unabhängig davon, ob dies insgesamt der Reihenfolge nach den Qualitätsergebnissen entspricht. Das suggeriert den Versicherten, dass es sich um die bestgeeigneten Einrichtungen handelt. Diese Regelung verstößt gegen das Diskriminierungsverbot. Zudem liegt eine Intransparenz vor, da der DRV-Bundesvorstand jederzeit die Kriterien für die Vorschlagsliste neu bestimmen kann und das ohne die Verpflichtung zur Bekanntgabe der Beschlüsse.

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