Neue Politik - Kolumne von Thomas Bublitz
Wenn die neue Bundesregierung hält, was der Koalitionsvertrag verspricht, dann will die Ampelkoalition Deutschland tatsächlich voranbringen. Recht nüchtern und zugleich sehr treffend werden in den Abschnitten Arbeit und Soziales sowie Pflege und Gesundheit die Probleme und Lösungen für unser pandemiegeplagtes Gesundheitssystem beschrieben. Dabei spielen politische Ideologien keine nennenswerte Rolle. Konkret sollen der Grundsatz „Reha vor Rente“ gestärkt, die Reha konsequenter auf den Arbeitsmarkt ausrichtet und die unterschiedlichen Sozialversicherungsträger zur Kooperation verpflichtet werden. Eine satte Ansage! Kommen wir jetzt wirklich dazu, dass Krankenkassen und Rentenversicherung zusammenarbeiten? Die Kassen wissen sehr genau, welche Versicherten immer wieder arbeitsunfähig ausfallen und könnten mit gezielten Hinweisen wirklich unnötiges Ausscheiden aus dem Beruf und zu frühe Verrentung verhindern. Das wäre ein Segen für die Menschen, die Rentenkasse und die Wirtschaft, die unter dem Fachkräftemangel ächzt. Dann noch eine bedarfsgerechte Anpassung der Reha-Budgets und ein niedrigeschwelliger Zugang zur Reha – ein solches Team hätte echte Siegchancen.
Klug ist auch die Ankündigung, den Graben zwischen ambulanter und stationärer Versorgung mit den „Hybrid-DRG“ zu schließen. Leichte Eingriffe im Krankenhaus, ohne die fragwürdige untere Grenzverweildauer einhalten zu müssen, wären für Patienten, Kliniken und niedergelassene Fachärzte, die zusammenarbeiten könnten, ein echter Gewinn. Besonders interessant wird die angekündigte Regierungskommission, die Leitplanken für eine sich an der Erreichbarkeit und der demografischen Entwicklung orientierende Krankenhausplanung erarbeiten soll. Da fehlt nur der unentbehrliche Aspekt der Qualität der erbrachten Leistungen, und daraus könnte wirklich was werden. Die geplante Vorhaltefinanzierung ausgewählter Krankenhausstrukturen rundet das Paket ab. Keine Flucht in die Menge, um die Kosten der Notaufnahme oder der OPs zu finanzieren.
Nur einmal haben die Koalitionäre – möglicherweise unbewusst – den Pfad der Sachorientierung verlassen: bei der Vereinfachung der Zulassungsvoraussetzungen für MVZ in ländlichen Regionen ausschließlich in kommunaler Trägerschaft. Da sollen vor allem die Krankenhäuser zum Zuge kommen, die sowieso die letzte Bastion der Versorgung halten. Die Kommunen nun zum Kontrahenten zu machen, könnte sich als ein Schuss erweisen, der nach hinten losgeht.
Aber sei es drum: Der Koalitionsvertrag ist in Sachen Gesundheit stimmig und hat Potenzial. Nun muss Gesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach zeigen, dass er die Corona-Pandemie mit wissenschaftlichen Methoden wirklich bekämpfen kann. Auf die Krankenhäuser und Reha-Kliniken in privater Trägerschaft kann er sich dabei in Sachen Impfen und Patientenversorgung absolut verlassen.