Prüfungen durch den Medizinischen Dienst gehen für Krankenhäuser und Krankenkassen mit einem riesigen Aufwand einher. Sie binden dringend benötigte Fachkräfte, die damit bei der Patientenversorgung fehlen. Allein bei den Medizinischen Diensten waren insgesamt 10.828 Mitarbeiter:innen beschäftigt (Stand 31. Dezember 2020), davon 2.472 Ärzt:innen und 3.983 Pflegefachkräfte. Obwohl die Prüfquoten pandemiebedingt vom Gesetzgeber abgesenkt worden waren, fanden im Datenjahr 2020 rund 1.926.000 Prüfungen von Krankenhausabrechnungen statt. Diese Zahlen stehen in deutlichem Widerspruch zu dem mit dem MDK-Reformgesetz politisch verfolgten Ziel, den Aufwand der Abrechnungsprüfungen zu reduzieren. Gleichzeitig wurden im Berichtszeitraum mit Struktur- und Qualitätsprüfungen völlig neue Prüfregime eingeführt, die den Aufwand zunehmend erhöhen.
Abrechnungsprüfungen
Um den mit Abrechnungsprüfungen verbundenen Aufwand zu begrenzen, wurde mit dem MDK-Reformgesetz die krankenhausindividuelle Prüfquote eingeführt. Sie soll gezielt Anreize zur korrekten Abrechnung geben, da die zulässige Prüfquote je Krankenhaus in Abhängigkeit von dem Anteil unbeanstandeter Abrechnungen bestimmt wird. Im Berichtszeitraum kam die krankenhausindividuelle Prüfquote ab dem 1. Januar 2022 erstmalig zur Anwendung, nachdem diese 2020 (5 Prozent) und 2021 (12,5 Prozent) noch für alle Krankenhäuser pandemiebedingt fixiert war. Zusätzlich gilt seit dem 1. Januar 2022 auch die Regelung zu den Aufschlagszahlungen: Führt eine Prüfung durch den Medizinischen Dienst zu einer Rechnungsminderung, haben Krankenhäuser einen Aufschlag auf die zu erstattende Differenz zwischen dem ursprünglichen und dem geminderten Rechnungsbetrag zu zahlen. Dessen Höhe ist auch von der Anzahl der unbeanstandeten Rechnungen des Krankenhauses anhängig.
Weitere Neuerungen im Berichtsjahr waren die am 1. Januar 2022 in Kraft getretene Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV) sowie die in der elektronischen-Vorgangsübermittlungs-Vereinbarung (eVV) geregelte, ab dem 1. Juli beginnende elektronische Unterlagenübermittlung zwischen Krankenhaus und Medizinischem Dienst (MD).
Warum ist es bislang nicht gelungen, den Prüfaufwand nachhaltig zu reduzieren? Eine wichtige Ursache dafür ist, dass Abrechnungsprüfungen ein wichtiges Wettbewerbsfeld zwischen Krankenkassen sind, die in einem Prüfwettbewerb regelrecht um Rechnungskürzungen wetteifern. Um dieser Entwicklung langfristig entgegenzuwirken, schlägt der BDPK vor, dass Rückzahlungen aufgrund von Abrechnungsprüfungen nicht direkt an die Krankenkassen erfolgen, sondern zunächst in den Gesundheitsfonds bzw. einen eigenständigen „MD-Fonds“. Erst in einem zweiten Schritt würde die Auszahlung an die Krankenkassen erfolgen. Zu weiteren Forderungen des Fachausschusses Krankenhäuser zählen:
- Transparente Prüfquotenermittlung
- Abschaffung der Aufschlagszahlungen
- Abschaffung bzw. Änderung der Ausnahmeregelung zum Überschreiten der Prüfquote
Letztere kann bei kleinen Krankenhäusern mit wenigen Fallprüfungen dazu führen, dass bereits eine negative Abrechnungsprüfung ausreicht, um zu einer Prüfquote von 100 Prozent zu gelangen. Daher sollte eine Mindestanzahl von Fällen, die zur Ermittlung der Prüfquote herangezogen werden, definiert werden.
Um den bürokratischen Aufwand für die Krankenhäuser zu begrenzen, fordert der BDPK die generelle Absenkung der Prüfquote auf 5 Prozent. Auch die Vereinfachung des DRG-Systems (weniger DRGs, OPS-Codes und Zusatzentgelte) sowie die Abschaffung der Prüfung auf sekundäre Fehlbelegung würde nach Ansicht des BDPK zu einer Reduzierung des Prüfaufwands führen.
Strukturprüfungen
Im Berichtszeitraum wurden Strukturprüfungen nach § 275d SGB V trotz anhaltender Belastungen durch die COVID-19-Pandemie erstmalig vorgenommen. Mit dem Ziel der Entbürokratisierung wurde das Verfahren in einer Prüfung gebündelt, statt wie bisher die vorhandenen Strukturen der Krankenhäuser in vielen Einzelfällen zu prüfen. Nun müssen Krankenhäuser bis zum 30. Juni eines jeden Jahres Anträge für OPS-Strukturprüfungen stellen, um die entsprechenden Leistungen im Folgejahr vereinbaren und abrechnen zu können. Nach vorläufigen Auswertungen des MD Bund wurden bundesweit mehr als 15.000 Anträge durch Krankenhäuser gestellt, wovon etwa 92 Prozent die Abrechnungsvoraussetzungen erfüllt haben (vgl. Pressemitteilung MD Bund vom 15.02.2022).
In der Praxis konnte das gesetzgeberische Ziel der Entbürokratisierung jedoch nicht erreicht werden: Zum einen führte eine verspätete Veröffentlichung der Richtlinie zur Begutachtung der Einhaltung von Strukturmerkmalen Ende Mai 2021 zu einer äußerst kurzen Antragsfrist, die im Berichtszeitraum bis zum 15. August 2021 verlängert worden ist. Zum anderen führen umfangreiche Anträge zu extrem hohem bürokratischen Mehraufwand in den Krankenhäusern. So müssen sie je beantragtem OPS-Kode u. a. personelle Anforderungen, das Vorhandensein bestimmter Fachabteilungen oder das Vorhandensein/die Verfügbarkeit von Therapiebereichen oder Verfahren nachweisen. In diesem Zusammenhang müssen auch Dienstpläne, Arbeits- sowie Kooperationsverträge und Qualifikationsnachweise an die Medizinischen Dienste übermittelt werden. Diese weitreichenden Nachweispflichten nahm der BDPK im Berichtszeitraum zum Anlass, den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit um eine datenschutzrechtliche Einordnung zu bitten.
Aus Sicht des BDPK muss der mit den Strukturprüfungen einhergehende immense Aufwand deutlich reduziert werden. Insbesondere die sehr umfangreichen und datenschutzrechtlich bedenklichen Nachweispflichten konterkarieren das gesetzgeberische Ziel der Entbürokratisierung. Statt der Prüfungen im Ein- oder Zweijahresrhytmus, sollten diese nur anlassbezogen erfolgen oder zumindest die Gültigkeitsdauer der Bescheide verlängert werden. Dafür spricht auch, dass in über 90 Prozent der Anträge die strukturellen Voraussetzungen erfüllt waren.
Qualitätskontrollen
Im Berichtszeitraum erfolgten durch die Medizinischen Dienste zunehmend auch Qualitätskontrollen nach § 275a SGB V. Diese wurden coronabedingt vom 2. Dezember 2021 bis 31. März 2022 ausgesetzt. Zusätzlich erfolgten über den Zeitraum vom 27. März 2020 bis zum 31. Oktober 2020 keine Prüfungen. Der G-BA hat bereits eine Ausweitung beider Zeiträume beschlossen, insbesondere ein Aussetzen der Prüfungen bis zum 30. Juni 2022 (Beschluss vom 21. April 2022, vorbehaltlich der Prüfung des BMG).
Nach der MD-Qualitätskontroll-Richtlinie (MD-QK-RL) sind derzeit folgende Kontrollen möglich:
- Richtigkeit der Dokumentation der Krankenhäuser im Rahmen der externen stationären Qualitätssicherung,
- Einhaltung der Qualitätsanforderungen nach § 136 Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V sowie
- Einhaltung der Qualitätsanforderungen nach den Regelungen zu einem gestuften System von Notfallstrukturen in Krankenhäusern gemäß § 136c Absatz 4 SGB V
Bereits beschlossen, aber noch nicht veröffentlicht wurden die Abschnitte zu Kontrollen der Einhaltung
- der Qualitätsanforderungen zur Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien sowie
- der Personalanforderungen nach der Richtlinie zur Personalausstattung Psychiatrie und Psychosomatik (PPP-RL).
Werden Qualitätsanforderungen des G-BA nicht eingehalten, greift ein gestuftes System von Folgen nach der Qualitätsförderungs- und Durchsetzungs-Richtlinie (QFD-RL). Dabei finden sich die spezifischen Sanktionen dann in den jeweiligen Qualitätssicherungsrichtlinien selbst wieder.
Aufgrund der Corona-Sonderreglungen fanden im Berichtszeitraum erst wenige Qualitätskontrollen statt. Die stetige Ausweitung der Richtlinie lässt aber bereits erahnen, wieviel Mehraufwand zukünftig auf die Krankenhäuser zukommen wird. Zu kritisieren ist, dass die spezifischen Sanktionsreglungen größtenteils noch nicht vorliegen. Dies bedeutet für die Krankenhäuser enorme Unsicherheiten auch hinsichtlich möglicher finanzieller Folgen durch negative Kontrollberichte. Insbesondere die Prüfung der Notfallstrukturen birgt auch Risiken für die Patientenversorgung, in den Fällen, in denen der MD von der Nicht-Einhaltung erforderlicher Notfallstrukturen ausgeht. Auch hier liegen die Sanktionsreglungen noch nicht vor.