Pflegebudget
580 Pflegebudgets waren bundesweit Ende Februar 2022 für den Vereinbarungszeitraum 2020 abgeschlossen. Das entspricht bei ca. 1.400 DRG-Krankenhäusern einer Abschlussquote von 40 Prozent für das Jahr, in dem die Ausgliederung der Pflege aus den Fallpauschalen erstmals wirksam wurde. Und das, obwohl das Krankenhausfinanzierungsgesetz prospektive Verhandlungen vorsieht. Die Abschlussquote ist zusätzlich sehr heterogen. In einigen Ländern ist die Lage noch dramatischer.
Die Zahlen zeigen: Die Verhandlung der Pflegebudgets sind äußerst schwierig und konfliktbehaftet. Besonders ärgerlich ist, dass die Verhandlungen von Krankenkassen zum Teil verschleppt wurden. Laut DKG-Umfrage haben ein Drittel der Häuser noch keinen Verhandlungstermin zum Pflegebudget 2020 abstimmen können. Und wenn es zu Verhandlungen kommt, dann geht vielen Budgetabschlüssen eine zweistellige Zahl von Verhandlungsterminen voraus. Während der Verhandlungsrunden warten auf die Häuser lange Diskussionen zu vorgelegten Unterlagen. Zudem werden von den Krankenkassen immer neue Nachweise wie Tätigkeitsbeschreibungen, Eingruppierungsmatrix, Personallisten, Einzelkostenaufstellungen, Überstundenaufstellungen und Dienstpläne eingefordert. Das ist unverständlich, vor allem da DKG und GKV-Spitzenverband in mühsamen Kompromissen eine Fülle an Vorgaben und vorzulegenden Unterlagen beschlossen haben.
Die Folge der verzögerten Verhandlungen sind Liquiditätsengpässe, denn die Krankenhäuser haben den politischen Willen umgesetzt, zusätzliches Pflegepersonal eingestellt und durch höhere Tarifentgelte besser bezahlt. So lange kein Pflegebudget verhandelt ist, erhalten die Kliniken auch 2022 nur einen Ersatzbetrag, der auf Basis der durchschnittlichen Kosten- und Belegungsdaten des Jahrs 2019 kalkuliert wurde und bei weitem nicht ausreicht.
Es ist dringend notwendig, die Tauglichkeit des Instruments Pflegebudget zu überprüfen. Kurzfristig kann eine Erhöhung des vorläufigen Pflegeentgeltwerts die Pflegebudgetverhandlungen beschleunigen. Da es selbst bei einer Unterschreitung des festgelegten Wertes durch die bestehende Ausgleichsregelung im Folgejahr nicht zu Überzahlungen kommen kann, besteht für den Gesetzgeber kein Risiko, den vorläufigen Pflegeentgeltwert deutlich zu erhöhen. Positiver Effekt der Erhöhung wäre, dass den Krankenkassen ihre offenkundigen Motive für die Verhandlungsverzögerung genommen würden.
DRG-Katalog
Auch bei der Verhandlung zum aDRG-Katalog 2022 war das Pflegebudget zentraler Konfliktpunkt. Laut GKV-Spitzenverband sei der Anstieg der Pflegepersonalkosten nicht durch neu eingestelltes Pflegepersonal oder tarifbedingte Steigerung zu erklären. Als Ursache vermutete er anreizbedingte Kostenverschiebungen zwischen dem aDRG-Bereich und dem Pflegebudget und forderte eine Absenkung des Katalogs um 900 Mio. Euro. Von der Krankenhausseite wurde dies abgelehnt. Nachdem DKG und GKV-Spitzenverband das Scheitern der Verhandlungen erklärten, wurde der Katalog vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) per Ersatzvornahme in Kraft gesetzt. Der darin vorgesehene Normierungsbetrag von 175 Mio. Euro blieb erfreulicherweise weit von den Forderungen des GKV- Spitzenverband entfernt. Positiv war, dass in der Verordnung ebenfalls eine Verlängerung der 5-Tage-Zahlungsfrist von Krankenhausrechnungen bis zum 30. Juni 2022 enthalten war.
Investitionsfinanzierung
Eine hochwertige patientenorientierte Krankenhausbehandlung ist nur mit zeitgerechter apparativer Ausstattung möglich und erfordert beständige hohe Investitionen in die Infrastruktur. Seit Jahren werden Länder dieser Verantwortung nicht gerecht. Jährlich haben Krankenhäuser einen Investitionsbedarf von über 6,5 Milliarden Euro. Den notwendigen Investitionen steht eine Investitionsförderung der Bundesländer im Jahr 2019 von ca. 3,16 Milliarden Euro gegenüber. Jährlich besteht eine Investitionskostenlücke von über 3,5 Milliarden Euro.
Der BDPK fordert, dass die Bundesländer ihre Verantwortung in der Investitionsfinanzierung endlich übernehmen. Ist dies auch zukünftig nicht der Fall, muss aus Sicht des BDPK über Kofinanzierungsmodelle nachgedacht werden, bei denen Investitionsmittel in gleichen Teilen vom Land, der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung und vom Bund zur Verfügung gestellt werden.
Ambulante Operationen (AOP)
Eigentlich sollten GKV-Spitzenverband, Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und DKG schon zum 31. Januar 2022 auf Grundlage eines Gutachtens einen neuen Katalog ambulant durchführbarer Operationen (AOP-Katalog) vereinbaren. Keine leichte Aufgabe, was sich im Zeitplan bemerkbar machte. Erst Anfang April legte das beauftragte IGES-Institut sein Gutachten vor. Das nun veröffentlichte Gutachten benennt konkret Behandlungen zur Erweiterung des Katalogs nach § 115b SGB V und analysiert verschiedene Maßnahmen zur Adjustierung von Schweregraden.
Die Partner der Selbstverwaltung planen hinsichtlich der Vergütung folgendes gestuftes Vorgehen:
- Eckpunkte zur Vergütungsanpassung werden zum 1. Juli 2022 konkretisiert und vereinbart;
- zugleich sollen Leistungen für die Anpassung des AOP-Kataloges konsentiert werden, die bereits jetzt im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) abbildbar und keine komplexen Leistungen sind und welche erst mit Wirkung ab dem 1. Januar 2023 in den AOP-Katalog aufgenommen und damit berechnungsfähig werden;
- zum 1. Januar 2024 Aufnahme weiterer, komplexerer Leistungen in den AOP-Katalog, die einen Bezug zum DRG-System aufweisen.
Der Fachausschuss Krankenhäuser wird die Verhandlungen weiter eng begleiten. Die Nutzung ambulanter Potenziale ist eine wichtige Voraussetzung, um dauerhaft gute und wirtschaftliche Versorgung gewährleisten zu können. Der Hauptgrund dafür, dass Sektorengrenzen auch nach Jahrzehnten der Kritik weitgehend undurchlässig bleiben, sind bestehende sektorenspezifische Vergütungssysteme. Ein gemeinsamer Katalog ist hier ein Schritt in die richtige Richtung. Zur Refinanzierung wichtig ist dabei, dass Schweregrade bei der Vergütung ausreichend berücksichtigt werden.
Übergangspflege
Häufig können Krankenhäuser Patient:innen, die nach einem Klinikaufenthalt weiteren Nachsorgebedarf haben, nicht entlassen, weil sich kein Anschlussversorger finden lässt. Um dieses Problem zu entschärfen, wurde im Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz (GVWG) vom Juli 2021 ein Anspruch auf maximal 10 Tage Übergangspflege im Krankenhaus im Anschluss an eine Krankenhausbehandlung verankert. Voraussetzung dafür ist, dass die Anschlussleistungen (z. B. der medizinischen Rehabilitation oder Kurzzeitpflege) nur unter erheblichem Aufwand sichergestellt werden können. Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Übergangspflege muss von den Krankenhäusern nachprüfbar dokumentiert werden. Hierzu haben sich die Selbstverwaltungspartner im November 2021 auf eine Dokumentationsvereinbarung geeinigt.
Der BDPK hat die Einführung dieses neuen Leistungsbereiches durch die Mitarbeit in der zuständigen DKG-Arbeitsgruppe eng begleitet und in Fachartikeln auf Änderungsbedarf hingewiesen (vgl. BDPK-News vom 26.10.2021).
So haben wir die Forderungen der Krankenkassen kritisiert, dass Krankenhäuser als Voraussetzung für die Übergangspflege eine hohe Mindestanzahl von Anschlussversorgern anfragen müssen oder dass Patient:innen der Übergangspflege im Rahmen der Pflegepersonaluntergrenzen bei der Berechnung des Verhältnisses von Patientenzahl und Pflegepersonalbesetzung auf Station berücksichtigt werden sollen. Der BDPK hat sich dafür eingesetzt, das Dokumentationsniveau für die Krankenhäuser durch die Nutzung bereits bestehender Daten des Entlassmanagements so gering wie möglich zu halten und die Organisation der Übergangspflege in der Verantwortung des Krankenhauses zu belassen. Auch darf zu den ohnehin schon vielfach bestehenden Prüfungen durch den Medizinischen Dienst nicht noch ein weiteres Feld für Streitigkeiten hinzukommen. Um das neue Feld "Übergangspflege" abschließend in seiner Umsetzung beurteilen zu können, müssen die Vergütungsvereinbarungen auf Landesebene abgewartet werden. Stand März 2022 sind die entsprechenden Verhandlungen noch nicht weit fortgeschritten.