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Stellungnahme vom 6. Juli 2018 zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit für ein Pflegepersonal-Stärkungs-Gesetz

Stellungnahme vom 6. Juli 2018 anlässlich des Referentenentwurfs des Bundesministeriums für Gesundheit für ein Pflegepersonal-Stärkungs-Gesetz

A.    Vorbemerkung

Es ist zu begrüßen, dass die Bundesregierung mit den Maßnahmen des Gesetzentwurfs die Pflegekräfte in Krankenhäusern entlasten will. Voraussetzung dafür ist die Einstellung von zusätzlichen Pflegekräften, die nur gelingen kann, wenn die Finanzierung verlässlich sichergestellt ist.

Dafür sieht der Gesetzentwurf kurzfristige Maßnahmen zur Stärkung der Pflege ab 2018 vor wie das weiterentwickelte Pflegestellenförderprogramm und den vollen Tarifausgleich. Diese Maßnahmen sind geeignet, die Situation der Pflege durch Neueinstellungen zu verbessern.

Die Ausgliederung der Pflegekosten aus den Fallpauschalen ab 2020 wird allerdings keinen darüber hinausgehenden Nutzen für die Einstellung von zusätzlichen Pflegekräften in den Krankenhäusern haben. Diese ist im Ergebnis lediglich eine ordnungspolitisch fragwürdige Wiedereinführung des Selbstkostendeckungssystems für die Pflegepersonalkosten, die das DRG-System zerstören, ohne dass es dafür eine sinnvolle Alternative gäbe.

Die Vorstellung des Gesetzgebers, sich dabei zum einen ausschließlich auf examinierte Pflegekräfte und zum anderen nur auf deren Tätigkeit unmittelbar am Patienten fokussieren zu können, ist praxisfern und nicht sinnvoll organisierbar. Dies erfordert theoretische und praxisferne Festlegungen, die mit der Realität der Patientenversorgung im Krankenhaus nicht in Übereinstimmung zu bringen sind.

  • Jeder Pflegeassistent schafft durch seine Tätigkeiten (Essenausgabe, Bettendesinfektion, Transportdienste zu Untersuchungen) Freiräume für die Tätigkeit examinierter Pflegekräfte am Patienten. Die Krankenhäuser sind vielmehr dringend auf diesen Personalmix angewiesen, um die examinierten Pflegekräfte zu entlasten. Der Versuch, examinierte Pflege und Pflegeassistenz zu trennen, birgt die Gefahr, dass examinierte Pflegekräfte zukünftig wieder weniger qualifizierte Tätigkeiten übernehmen müssen.
  • Die Rückkehr zur Selbstkostendeckung wird die erreichten Fortschritte zur sinnvollen und qualifikationsgerechten Arbeitsteilung rückgängig machen. Sie nimmt Krankenhäusern Anreize zur sinnvollen organisatorischen Weiterentwicklung und stoppt Innovationen. Warum sollte ein Krankenhausträger in moderne Infrastruktur wie Robotics oder pflegeentlastende IT investieren, wenn er stattdessen subventionierte Pflegefachkräfte einstellen kann?
  • Die Fokussierung auf tagesbezogene Pflegekostenerstattung stoppt den medizinisch sinnvollen und politisch gewollten Anreiz zur Verkürzung der Verweildauern. Diese sind schon heute im internationalen Vergleich deutlich länger. In der Folge würden mehr Krankenhausbetten benötigt.

Auch der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen betonte in seinem kürzlich veröffentlichten Gutachten kritisch: „Eine Vergütung der Pflegekosten analog zum früheren Selbstkostendeckungsprinzip beinhaltet zahlreiche Risiken“. Besonders bedenklich ist, dass trotz der vorgesehenen Ausgliederung ein bundeseinheitlicher Pflegeerlöskatalog als Abrechnungsinstrument entwickelt werden soll, der offensichtlich einen Leistungsbezug für Pflegekosten vorsieht. Hierdurch würden unvereinbare Elemente unterschiedlicher Finanzierungssysteme vermischt. Die im Referentenentwurf vorgesehene Streichung des Pflegezuschlags wird von uns abgelehnt. Sie würde der Krankenhausversorgung ab dem Jahr 2020 jährlich 500 Millionen Euro entziehen und wäre konträr zum Ziel der Verbesserung der Situation der Pflege.

Sollte trotz dieser Risiken an der Neuregelung festgehalten werden, empfehlen wir dringend den Zeitraum zur Vorbereitung des Systemwechsels, um mindestens ein Jahr bis zum Jahr 2021 zu verlängern.

Ein besonderes Augenmerk muss auf die Folgewirkung der gesetzgeberisch geplanten Maßnahmen für die rund 30.000 Pflegekräfte in Rehabilitationskliniken gerichtet werden: Wenn Krankenhäuser und Pflegeheime die Personalkosten für zusätzlich eingestellte Pflegekräfte erstattet bekommen, werden sie versuchen, gut und fertig ausgebildete Pflegekräfte in den Rehabilitationskliniken abzuwerben. Die Tatsache, dass für die Krankenhäuser und Pflegeheime so gut wie keine zusätzlichen Personalkosten anfallen, schafft Raum für Abwerbeprämien und Gehaltszuschläge, denen die Rehabilitationskliniken finanziell nichts entgegenzusetzen haben. Der Verlust von Pflegekräften in der Rehabilitation würde die Anschlussversorgung für Krankenhauspatienten, beispielsweise nach Schlaganfall, Herzchirurgie, Gelenkersatz und Krebserkrankungen gefährden. Deshalb müssen auch die Rehabilitationseinrichtungen wirksame Refinanzierungsmöglichkeiten für steigende Personalkosten erhalten! Auf die existenzielle Bedrohung haben die Verbände der Reha-Leistungserbringer mit diversen Pressemeldungen hingewiesen (BDPK-Pressemeldungen vom 30.01.18 und 18.04.18, DEGEMED-Pressemeldung vom 27.06.18, Verbund Norddeutscher Rehakliniken-Pressemeldung vom 28.06.18; s. Anlage). Derzeit werden Preissteigerungen in der Rehabilitation durch die Grundlohnrate begrenzt. Diese Regelung muss für Rehabilitationseinrichtungen in § 111 SGB V explizit außer Kraft gesetzt und die Möglichkeit der Refinanzierung der stark steigenden Personalkosten im Bereich Pflege geschaffen werden.?